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House of Arts

„...and it feels good“

Die diesjährige Ausstellung im Hangar-7 stellt erneut die Malerei in den Mittelpunkt und zeigt die Bandbreite ihrer Möglichkeiten ebenso wie die Heterogenität künstlerischer Formensprachen und Bildkonzeptionen.
Ein Text von Silvie Aigner

Die Bilder zeigen die Vielfältigkeit des Mediums: von der Beschäftigung mit den formalen Möglichkeiten und Techniken der Malerei per se, dem Ausloten von Farbe, dem Aufbau der Komposition aus vielen Farbschichten, aus denen sich die Motive aus dem Bildgrund heraus entwickeln, bis hin zur Setzung thematischer Schwerpunkte. Wenngleich zumeist eine naturalistische Darstellung überwiegt, entwickeln die Künstler auf der Leinwand eine eigene Welt, die versucht Sujets und Motive auf eine andere, vielleicht ungewohnte, Ebene zu bringen und übersetzen ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit in ein Zusammenspiel von figurativen und abstrakten Bildelementen. Dabei zeigt sich, dass einige der Werke durchaus Bezüge zur Kunstgeschichte haben, etwa zur Moderne des 20. Jahrhunderts als auch zur französischen Landschaftsmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts. Interessant ist dabei allerdings nicht, inwiefern sie diese Tradition der Malerei fortschreiben, sondern inwiefern sie diese in ihrer künstlerischen Praxis erweitern und aus dem Blickwinkel der Gegenwart neu interpretieren. Auf der anderen Seite stehen Maler und Malerinnen, die mit einer sehr zeitgenössischen Ästhetik arbeiten, zum Teil wird auch der Einfluss digitaler Medien fassbar. Auffallend ist in der gegenwärtigen Malerei insgesamt, dass die Auseinandersetzung mit dem Medium und seiner immanenten Parameter, die auf einer formalästhetischen Ebene verhandelt werden, mehr im Vordergrund stehen als das Aufgreifen brisanter sozialer, politischer und ökologischer Themen. Und dennoch bleiben sie nicht ganz ausgeklammert, denn letztlich ist der Künstler, die Künstlerin stets ein Seismograf der Gegenwart. Darin besteht auch die Qualität der Kunst und der Malerei im Speziellen. Auch wenn sie vor einem Zeithorizont entsteht, so tritt sie jedoch aus diesem Kontext heraus und reicht immer über ihre eigentliche Gegenwart hinaus. 

In der Ausstellung mit dem Titel „...and it feels good“, darf auch einfach die Lust an der Malerei per se, an der Farbe, aber auch am Einsatz ihrer materiellen Qualität in den Fokus rücken. Doch bei genauem Hinschauen bleibt keine der Arbeiten an diesen Parametern hängen.

Umberto Eco sprach von der Offenheit des Kunstwerks, die sich durch eine neuartige Organisation der Realität im Bild und dem malerischen Prozess per se generiert. Doch ist die Malerei darüber hinaus eine Art reflexives Tagebuch des Erlebten, der Wahrnehmung von Dingen, Situationen, Sinneseindrücken, die plötzlich auftauchen und auf nichts als sich selbst verweisen und dem Betrachter zuweilen die Ahnung geben, auf das Wesentliche der Natur, des Lebens per se, gestoßen zu sein – auf eine elementare Essenz? Die Herausforderung, diese Ahnungen zu beschreiben oder darzustellen, ist Teil eines immanenten Kunstprozesses und beschäftigte auch schon Jean-Paul Sartre, als er seine Romanfigur, den Historiker Antoine Roquentin, angesichts einer Kastanienwurzel erkennen lässt: „Die Welt der Erklärung und Gründe ist nicht die der Existenz [...]. Die Funktion erklärt nichts. Ich spürte verdrossen, dass ich kein Mittel hatte zu verstehen. Trotzdem war es da.“1 Die Suche nach einer adäquaten Form der Darstellung, die sowohl die Wahrnehmung als auch die Empfindung erfasst, führt – auch wenn das figurative Motiv im Vordergrund steht, letztlich zu einer Loslösung von einem literarisch bestimmten Bild. Die Malerei, so der österreichische Künstler Jürgen Messensee, „ist eine Denkmethode für sich. Das ist fantastisch und erlaubt uns in einer Sprache zu agieren, die über dem Raum und der Zeit steht und uns überhaupt erst ermöglicht, die Welt zu verstehen und über sie zu sprechen.“2 Oder wie es Umberto Eco formulierte: „Ein offenes Kunstwerk stellt sich der Aufgabe, uns ein Bild von der Diskontinuität zu geben: es erzählt sie nicht, sondern ist sie.“3

Die Bilder entstehen im Prozess des steten Überprüfens bildnerischer Möglichkeiten, durch das Interesse der Künstler und Künstlerinnen an der Reflexion des Mediums, an ihren Strukturen und Bildkonzeptionen. Der malerische Raum entwickelt sich in einigen Bildern mittels herkömmlicher Tiefenillusion und in anderen durch die Überlagerung von Farbschichten. Und das einerseits vollkommen unprätentiös, ohne vordergründige Effekte und andererseits durch die Wucht der Farben und die zuweilen beachtliche Größe der Leinwände, mit unbändiger Kraft und Raumpräsenz. Vielen Bildern haftet etwas Rätselhaftes und Geheimnisvolles an. Man erwartet, dass etwas geschehen wird, etwas Seltsames, Wunderliches, Symbolisches. Oft steht der Mensch im Mittelpunkt der Bilder, doch bleibt die Individualität der Personen oft im Verborgenen – wie die Unsicherheit, die sich hinter der untadelhaften Maske zu verstecken sucht. So bleibt auch in den detailgenauen Porträts, hinter der schicksten Kleidung oder der selbstbewusstesten Pose, stets etwas Unfassbares erhalten.

Die Bilder stellen Fragen, geben jedoch keine Antworten und öffnen im besten Sinne neue Bedeutungsräume. Und um noch einmal Jürgen Messensee zu zitieren. „Es ist eines der Privilegien der Kunst, der Malerei ebenso wie der Musik, dass sie eine Realität erzeugt, die es vorher nicht gegeben hat – sie ist eine Disziplin, um zu verstehen.“4

1 Jean-Paul Sartre, Der Ekel, Reinbek bei Hamburg 1981, S. 153.
2 Gespräch mit Jürgen Messensee, Atelier Wien, April 2014.
3 Umberto Eco, Das offene Kunstwerk, Frankfurt 1973, S. 165.
4 Ebd.

Ausstellungszeitraum:

29. Juli 2022 bis 10. Oktober 2022

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